Angst vor dem Tod = Angst vor dem Leben

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Machen wir uns nichts vor – vor dem Tod gruselt es uns alle. Wie soll man sich das auch vorstellen, dieses Nichts, das uns dann erwartet? Wir können von uns selbst nicht als nicht existierendes Wesen denken. Selbst an die Anfänge unserer Existenz haben wir keinerlei Erinnerung. Oder weißt du irgendetwas aus dem Zeitraum deiner Geburt oder der ersten Monate (meist sogar Jahre) danach? Da ist nichts und doch waren wir da. Also ist es doch rein theoretisch auch andersherum denkbar, oder nicht? Wir sind nicht da und doch ist da was …

Der erste Kontakt mit dem Thema Tod kann prägend sein

Was mich betrifft, hatte ich mein Lebtag lang Angst vor dem Tod. Auslöser war ein relativ harmloses Buch, das ich mit etwa 12 Jahren las. An Titel oder Autor erinnere ich mich nicht mehr, nur an diese eine Szene:

Ein Kind im Rollstuhl sitzt am geöffneten Fenster in der Abenddämmerung. Auf einmal leuchtet der Himmel und lockt das Kind mit seinem Licht. Das Kind fühlt sich verführt und will ins Licht. Sobald dieser Wille da ist, kann das Kind sich aus dem Rollstuhl erheben, die Beine tragen es sicher und kraftvoll, es verschwindet aus eigener Kraft ins lockende Licht. Die Eltern finden morgens den toten Körper ihres Kindes im Rollstuhl.

Ich übernachtete zu diesem Zeitpunkt bei meiner älteren Schwester und erinnere mich gut, dass ich zu ihr rannte und sie bat, mich jetzt sofort und auf der Stelle nach Hause zu bringen. Was mit mir los war, konnte ich ihr nie sagen und habe auch nie mit irgendeinem anderen Menschen darüber gesprochen. Dieser Gedanke, dass der Tod sogar Kinder holen kann (und folglich auch mich) war derart erschreckend, dass ich regelrecht gelähmt vor Angst war. Nichts war mehr sicher. Mein Leben schon mal gar nicht.

Wie sich das in meinem Leben ausgewirkt hat, spielt an dieser Stelle keine Rolle. Viel wichtiger ist eine Erkenntnis, die ich erst viel später gewonnen habe und mir diese leidige Angst endlich genommen hat. Für Menschen, die so viel Angst vor dem Tod haben, dass sie zu einer Angst vor dem Leben wird, für diese Menschen ist mein Blog Beitrag. Möge es auch euch mutiger machen!

Die Auseinandersetzung mit dem Tod kann heilsam sein

Als mein Vater starb und wir alle bei ihm waren, verschwand die Angst vor dem Tod für eine kurze Zeit. Denn damals – ich war 27 – fühlte ich: Der Tod ist nicht das Ende. Er kann auch nicht grausig sein, denn mein Vater hatte Überraschung im Blick, keine Angst. Außerdem war er immer noch da, auch wenn er nicht mehr atmete. Nicht nur der Körper, nein, auch sein Geist, seine Seele. Sowas kann man nicht erklären, das kann nur gefühlt werden. Ich fühle es bis heute. Angst vor dem Tod war lange kein Thema mehr. Weswegen ich jedem Menschen empfehlen kann, nicht wegzulaufen, wenn ein geliebter Mensch stirbt. So schwer es auch ist.

Dennoch übernimmt irgendwann wieder der Kopf die Regie und will sich rational erklären, wie das dann nun ist, mit dem Tod und danach und überhaupt. Und scheitert. Weil wir es nicht wissen können, ganz einfach. Und prompt ist sie wieder da, die Angst vor dem Tod. Deswegen habe ich versucht, das Ganze einmal möglichst nüchtern zu betrachten:

Wenn wir schlafen, sind wir da und dennoch nicht bei Bewusstsein. Vielleicht bezeichnen deswegen manche den Schlaf als kleinen Bruder des Todes. Anstatt nun auch noch Ängste vorm Schlafen zu entwickeln, habe ich mir klargemacht, was ich so unendlich toll am Schlaf finde:

  • Ich habe keine Schmerzen
  • Ich habe keine Ängste
  • Ich habe keine Sorgen
  • Ich rege mich über nichts auf und niemand kann mich ärgern
  • Ich fühle mich wie neugeboren, wenn ich erholt aufwache

Schlaf ist toll. Ohne Schlaf bin ich ungenießbar, du wohl auch. Also. Wenn Schlaf so toll ist und der Tod im Prinzip wie Schlafen ist, nur halt für immer … Warum sollten wir dann Angst davor haben? Wir wachen halt nur nicht mehr auf, bekommen das aber andererseits auch gar nicht mehr mit. Oder hast du im Schlaf schon mal das Bedürfnis gehabt, aufwachen zu wollen? Du bist (!) es vielleicht, wenn du einen Albtraum hattest, aber du hattest nie den bewussten Wunsch: „Ich möchte jetzt aufwachen und einen Kaffeetrinken, zur Arbeit gehen, Tennis spielen, mich mit Freunden treffen …“ Nichts davon ist im Schlaf präsent. Du bist ohne Bewusstsein. Vermisst nichts. Meine Logik sagt mir, dass ich ergo im Tod auch nicht das Leben vermissen kann. Das hat schon viel geholfen, meine Angst vor dem Tod zu überwinden.

Hilfreiche Gedanken zum Thema Tod

Hinzu kommen noch ein paar Überlegungen, die du nicht unbedingt teilen musst, aber womöglich mal in Ruhe darüber nachdenken möchtest:

Die Natur ist ein ewiger Kreislauf. Alles vergeht und kommt wieder. Blätter fallen von den Bäumen, werden zu Kompost und sind Nahrung für andere Lebewesen, deren Vorhandensein wiederum dazu führt, dass sich neue Blätter am Baum wiederfinden. Jedes Jahr aufs Neue. Ist ein Blatt also ein für allemal tot und weg? Für mich nicht.

Oder nimm einen Wassertropfen aus einer Pfütze. Er verdunstet und steigt in die Luft empor. Sammelt sich dort in Form einer Wolke und kommt irgendwann als Regentropfen wieder auf die Erde.

Wenn selbst ein Blatt oder ein Tropfen nicht „für immer weg“ sind, wie soll es dann ausgerechnet bei uns Menschen – dem angeblich höchstentwickelten Lebewesen auf Erden – möglich sein? Das ist doch total verrückt! Alles in der Natur hat einen Sinn, selbst das Vergehen, nur das Leben eines Menschen soll völlig sinnlos sein? Das will nicht in meinen Kopf.

Und deswegen erlaube ich mir, meine Phantasie spielen zu lassen, wenn ich schon nicht wissen kann, wie es sein wird. Ich stelle mir einfach die für mich schönste Möglichkeit bezüglich Sterben und Tod vor. In dieser Möglichkeit sehe ich, wie ich einst „abgeholt“ werde. Es ist mein Vater, der mir seine Hand reicht. Wenn ich meinen Vater sehe, ist meine Angst weg. Ich folge ihm und bin voller Freude, ihn und alle anderen wiederzusehen. Da niemand weiß, wie es wirklich sein wird, kann mir auch niemand sagen, dass ich spinne. So einfach ist das.

Vielleicht helfen meine Gedanken auch dir, wenn du dir deine eigenen zum Thema machst. Und wenn du magst, lies einmal dieses Buch:

Die fünf Menschen, die dir im Himmel begegnen

Es ist extrem tröstlich …

Sabine 💚

4 Kommentare zu „Angst vor dem Tod = Angst vor dem Leben“

  1. Liebe Sabine,
    ich danke dir vielmals für diesen Artikel. Auf deine einzigartige Weise betrachtest du das Thema „Angst vorm Tod“ aus verschiedenen Blickwinkeln und hilfst deinen Lesern, sich selbst damit zu befassen.

    Liebe Grüße,
    Simone

    1. Liebe Simone,

      es war mir eine Ehre, diesen Beitrag für die Lesenden deines Blogs schreiben zu dürfen. Hier sind meine Gedanken am richtigen Ort, denn du kannst bei Resonanzen direkt unterstützend begleiten. Etwas Besseres kann sich kein schreibender Mensch wünschen, denn „wir“ kommunizieren ja nur Gedanken, aber „ihr“ arbeitet mit diesen ganz konkret zum Wohle aller Menschen. Danke dafür!

      Sabine 💚

  2. Liebe Sabine, liebe Simone als Host,

    Danke für eure Idee, das jetzt zu veröffentlichen. Der Oktober ist ein Monat, in dem der Tod in meiner Familie durch den Tod meiner kleinen Enkelin sehr präsent ist.

    Ich habe auch manchmal die Ahnung, die friedlichste Variante ist wohl dieses Bedürfnis, endlich wirklich zu schlafen. Und das tröstet mich, wenn ich aus meiner Biografie manchmal, nicht immer, ein ungutes Gefühl habe, wenn ich an den Tod denke. Ich kann von mir befreiten Herzens sagen, ich liebe das Leben. Ich liebe die Erfahrungen, die ich hier mache. Und ich bin mir bewusst, dass das Menschenleben in diesem Körper nicht ewig weitergeht. Da brauche ich nur in den Spiegel zu schauen oder meinen knackenden Gelenken zuhören.

    Ich glaube, die Angst meines Vaters beim Sterben hatte damit zu tun, dass er fix glaubte, da komme nichts mehr. Dieses absolute Nichts danach, daran glaubte er Zeit seines Lebens. Felsenfest. Das hat ihm den Übergang sehr schwer gemacht.

    Was mich seither zum Gedanken bringt, vielleicht gehen wir einfach so, wie wir glauben, dass es sein könnte. So wie ja im Leben auch. Es ist keine fixe Vorstellung. Es ist eine Ahnung. Und meine Ahnungen sind ja im Leben schon sehr oft sehr punktgenau. Warum sollte es danach anders sein. Und wenn es dann doch anders ist, dann habe ich vermutlich nicht mehr diesen Verstand. Sondern erlebe das auch wieder anders.

    Das hilft mir.

    Die Vorstellung, diesen Seelen wieder zu begegnen, die in den Körpern waren, die schon gegangen sind – die berührt mich schon lange. Und ich kann mir gut vorstellen, dass es ziemlich nahe an der Wahrheit ist. Wenn, ja wenn sie nicht eh schon wieder um mich herum sind. Auch – so eine Ahnung.

    Fühlt euch virtuell gedrückt, ihr zwei

    Lisa

    1. Liebe Lisa,

      hab herzlichen Dank für deine Gedanken. Was deinen Vater betrifft … Das tut mir leid. Das Nichts – die Vorstellung eines Nichts – kann erschreckend sein. Sie kann aber nicht stimmen. Was war vor unserer Geburt? Hatten wir da etwa Angst? Auch in unseren ersten Lebenstagen ist da ein … Nichts. Und doch sind wir da. Auch wenn wir schlafen, ist da Nichts. Und doch sind wir da. Ich wünschte, dein Vater hätte sich da einmal Gedanken zu gemacht.

      Ich habe auch einmal gelesen, dass der Abschied von dieser Welt umso leichter fällt, je zufriedener man mit seinem Leben war. Auch darüber habe ich lange nachgedacht und wieder Ähnlichkeiten mit dem Schlaf gefunden. War unser Tag erfüllt und fröhlich, schlafen wir in der Regel leicht und friedlich ein. War der Tag anstrengend und ärgerlich, hindern uns die Emotionen am Einschlafen. Insofern ist das Beste, was wir tun können, genau das, was du schon machst, liebe Lisa:

      Das Leben in all seinen Facetten lieben und auskosten. Ich bin überzeugt, das macht es später leichter, adieu zu sagen. Selbst wenn da das Nichts lauern würde. Tut es aber nicht. Ich weiß es einfach.

      Sabine 💚

      P. S. Und für deine Enkelin zünde ich heute Abend eine Kerze an …

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