Moin, ihr Seiten. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als ich aus dem Bett gekrochen kam. In letzter Zeit fällt es mir gar nicht mehr so leicht, zeitig und motiviert aus dem Bett zu springen. Das war früher besser. Heute habe ich mir vorgenommen, einen Gastbeitrag für Simone zu verfassen. Das habe ich ihr schon lange versprochen und ich wünschte, ich hätte es schon längst erledigt. Heute werde ich es aber auf jeden Fall in Angriff nehmen, auch wenn ich mich ein bisschen komisch fühle, weil ich schlecht geschlafen habe. Meine Träume waren sehr verwirrend und ich weiß nicht, was ich davon halten soll….
So oder so ähnlich sehen die Tagebuch-Einträge aus, die ich seit nun mehr als 10 Jahren jeden Morgen verfasse. Morgenseiten sind eine Technik des automatischen Schreibens, bei der man ganz einfach sein Gehirn entleeren kann. Das bedeutet, man schreibt alles auf, was einem gerade durch den Kopf geht, ohne jede Form der Zensur oder Rechtschreibprüfung.
Die Technik der Morgenseiten stammt ursprünglich aus dem Buch “Der Weg des Künstlers” von Julia Cameron* und ist eine von zwei Techniken, um die kreativen Geister in Schwung zu bringen. Laut der Autorin helfen uns die Morgenseiten “auf die andere Seite zu kommen” und unseren Kopf frei für die kreative Arbeit zu machen. Aber auch wenn man nicht gerade einem kreativen Job nachgeht, helfen die Morgenseiten dabei, mit sich selbst ins Reine zu kommen.
Wie schreibt man Morgenseiten?
Wenn man ganz streng nach Protokoll vorgehen will, dann schnappt man sich am Morgen 3 Seiten Papier und einen Stift und beginnt damit, das Papier zu befüllen. Ganz recht. Es geht nur darum, das Papier zu füllen. Was gesagt wird, ist vollkommen egal. Wenn dir nichts einfällt, dann schreib “Ich weiß nicht, was ich schreiben soll.” so lange, bis dir wieder etwas anderes in den Sinn kommt – und das wird es!
Ich selbst schreibe meine Morgenseiten schon immer am PC, aber für die Anregung der Kreativität ist handschriftlich 100 % besser. Kümmere dich nicht um Rechtschreibfehler, gehe nicht zurück, um irgendwas zu korrigieren und lies auch nicht, was du geschrieben hast. Schreib einfach. Die Autorin empfiehlt sogar, die Morgenseiten der ersten Wochen in Briefumschläge zu stecken und mindestens 6 Wochen ruhen zu lassen.
Es geht nämlich wirklich nur darum, dein Gehirn zu entleeren und alles, was dir in den Sinn kommt, hat seine Berechtigung. Oftmals wiederholen sich bestimmte Gedanken. Das ist normal und okay und hilft dir später dabei, dein Leben zu verändern.
Worüber kann man schreiben?
Du schreibst über alles, was dir in den Sinn kommt. Wenn dir nichts einfällt, dann schreibst du darüber, dass dir nichts einfällt. Dir wird dann wieder etwas einfallen. Bei mir wiederholen sich in der Regel folgende Themen: Was ich geträumt habe, wie der Vortag war, was mich von gestern noch beschäftigt, was ich heute machen will usw. Das kann bei dir aber auch ganz anders aussehen.
Ich möchte davon abraten, Fragen zu beantworten. Es gibt andere Journaling-Techniken, bei denen man positiv gefärbte Fragen beantwortet, aber diese Technik hier ist eine Form des Automatischen Schreibens, bei der dein Unterbewusstsein angeregt wird. Deswegen gibt es auch nicht viele Vorgaben. Was rauswill, das wird kommen und vielleicht für die ein oder andere Überraschung sorgen. Ich sag mal nur, unterdrückte Gefühle und andere Kellerbewohner…
Wann sollte man seine Morgenseiten lesen?
Cameron empfiehlt einige Wochen lang nur zu schreiben und gar nicht zu lesen. Wenn du mit dieser Gewohnheit erst anfängst, würde ich dir auch dazu raten, denn die Morgenseiten sind nicht schön, sie sind nicht literarisch wertvoll und oftmals macht es absolut keinen Spaß, sie zu lesen. Da hört man dann zum tausendsten Mal dieselbe Geschichte, von dem gebrochenen Herzen oder den lästigen Nachbarn, oder man erzählt sich in tausendfacher Wiederholung, dass man auf dieses oder jenes keine Lust hat.
Und wenn du dir das jeden Morgen vor Augen führst und dir dann auch später nochmal durchliest, kriegst du richtig das Kotzen und wirst dafür sorgen, dass diese eine Sache sich in jedem Falle ändert. Du ziehst weg, du trennst dich, du führst ein klärendes Gespräch, was auch immer nötig ist, du wirst diese Geschichte nicht zum 1001. Mal wiederholen wollen. Und das alles nur dank der Morgenseiten!
Natürlich kannst du deine Morgenseiten jederzeit lesen. Niemand wird dich daran hindern. Ich selbst lese meine Morgenseiten in der Regel nur zwei Mal: für meinen Wochenrückblick und für meinen Jahresrückblick. Darüber hinaus finde ich es nicht nützlich und auch nicht erheiternd, sie zu lesen und träume von einem ChatBot, der das für mich übernimmt.
Meine Empfehlung geht ganz klar zum Schreiben von Morgenseiten, aber eher nicht zum Lesen.
Warum schreibe ich Morgenseiten?
Es tut so gut, seine Sorgen, Glücksmomente und Wünsche auf Papier zu bannen und loslassen zu können. Indem ich das gleich morgens als Erstes tue, reinige ich meinen Geist für den Tag. Für mich ist es ein bisschen wie der verbale Gang zur Toilette. Man entledigt sich vom Gedankenmist, wie ich es nenne, der einem nach dem Schlafen noch im Kopf hängt und kann sich dann ins Abenteuer neuer Tag stürzen.
Ich schreibe tatsächlich nun schon so lange jeden Tag Morgenseiten, dass ich ohne diese Gewohnheit gar nicht mehr klarkomme. Wenn ich im Urlaub bin, schreibe ich in mein Handy. Normalerweise aber in mein Laptop. Es ist auch eine Art Einführungsritual. Bevor ich eine Arbeit am PC beginne, schreibe ich immer ein paar Zeilen Gedankenmist, nicht nur morgens. Ich habe auch in meinen Entwürfen oftmals eine eigene Seite für Gedankenmist.
Denn das Ding ist, dieses Geplapper vom Reptilienhirn hört ja nie auf und belästigt einen den ganzen Tag über. Die Einen schwören auf Meditation und Achtsamkeit, ich schwöre auf meine Morgenseiten.
Schreibst du Morgenseiten?
Hast du bereits von den Morgenseiten gehört? Wie sind deine Erfahrungen damit?
* Hinweis: Als Amazon-Partner verdient Simone Heydel an qualifizierten Verkäufen.
Julia Wähnert, auch bekannt als die Potentialistin, kann sich nicht auf ein Projekt festlegen. Sie hat mehrere heiße Eisen im Ofen und ist ständig am Rotieren. Abwechslung macht sie kreativ und glücklich. Sie hat viele Hobbies und Rollen und erfindet sich immer wieder neu.
Liebe Julia,
ich danke dir vielmals dafür, dass du mit deinem Gastartikel meinen Blog bereicherst.
Mal sehen, wer von uns zuerst die 100 Blogartikel schafft 😉
Ganz liebe Grüße nach Berlin,
Simone
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